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Wenn eine Diagnose das Leben verschiebt

  • Autorenbild: Susanne Hermann
    Susanne Hermann
  • vor 2 Tagen
  • 2 Min. Lesezeit

Lebensverkürzende Erkrankungen, ob Krebs, neurologische Erkrankungen, progrediente Organerkrankungen, Demenz oder seltene Diagnosen erschüttern das Leben nicht nur durch das medizinische Wort an sich. Viel öfter ist es der Moment danach, der alles verändert. Das Außen bleibt scheinbar gleich, aber innen verschiebt sich etwas Grundlegendes.

Viele Menschen beschreiben dieses Erleben wie einen Bruch zwischen dem

Davor und dem Jetzt: Ein Alltag, der eben noch selbstverständlich war, fühlt sich plötzlich fragil an. Beziehungen verändern sich, Erwartungen von außen verschieben sich, und das eigene Selbstbild gerät ins Wanken. Auch Angehörige stehen oft wie zwischen zwei Welten, funktionieren im Außen und kämpfen im Inneren.


Was eine Erkrankung sichtbar und unsichtbar auslöst

Psychoonkologie beschäftigt sich nicht nur mit der Diagnose, sondern mit allem, was sie im Leben eines Menschen auslöst. Die Erkrankung selbst ist oft nur der Anfang - das Eigentliche beginnt im Moment danach. Während medizinische Schritte eingeleitet werden, setzt ein ganz eigener innerer Prozess ein: ein Schwanken zwischen Hoffnung und Angst, zwischen Klarheit und Überforderung.

Und dann kommen die realen Auswirkungen: Der Therapieprozess: sei es Chemotherapie, Immuntherapie, Strahlentherapie oder eine andere Behandlung verändert nicht nur den Körper, sondern oft auch das Selbstwertgefühl. Nähe, Sexualität und das Erleben von Attraktivität verschieben sich. Viele Menschen werden langsamer, verletzlicher, angewiesener auf Pausen und Momente der Regeneration. Eine Operation hinterlässt Spuren, die oft tiefer reichen als die sichtbaren Narben.

Gleichzeitig beginnt sich das Umfeld zu verändern. Manchmal verschiebt sich die Rollenverteilung in Beziehungen: Menschen, die bisher stark waren, brauchen plötzlich Unterstützung. Partner:innen werden zu Pflegenden. Kinder werden zu Beobachter:innen von etwas, das sie vielleicht noch kaum begreifen. Freundschaften verändern sich. Das Arbeitsumfeld wird komplizierter, oft zwischen Verständnis und Unsicherheit. Auch die finanzielle Situation kann unter Druck geraten, wenn Arbeit ausfällt oder die eigene Leistungsfähigkeit durch die Erkrankung und deren Behandlung eingeschränkt ist. Viele erleben in dieser Zeit ein Gefühl von Unsicherheit: Wie wird es weitergehen? Wie stabil bin ich noch? Und: wer bin ich, wenn vieles von dem, was mich bisher getragen hat, ins Wanken gerät?


Wenn der Körper kämpft und die Seele Schritt halten muss

Es ist eine besondere Herausforderung, mitzuerleben, wie der Körper unter Behandlung reagiert, während gleichzeitig ständig Entscheidungen getroffen, Informationen verarbeitet und organisatorische Aufgaben bewältigt werden müssen. Viele Menschen sagen, dass sie innerlich kaum nachkommen: der Körper kämpft, das Außen fordert und die Seele versucht, in diesen Veränderungen einen Platz zu finden, der nicht ständig verrutscht.


Wofür psychoonkologische Begleitung Raum schafft

Psychoonkologische Begleitung schafft einen Ort, an dem all diese Bewegungen und Belastungen ausgesprochen und gehalten werden können. Sie bietet Raum für das, was im Inneren manchmal kaum Platz findet: für Ängste, die man niemandem aufbürden möchte; für Erschöpfung, die man sich selbst kaum eingesteht; für Fragen, die schwer sind und dennoch da sind; für das Bedürfnis nach Orientierung inmitten von medizinischen, körperlichen und emotionalen Veränderungen.

Es geht darum, wieder Halt zu spüren. Nicht, weil alles leichter wird, sondern weil jemand mitgeht, zuhört, mitdenkt, mitträgt und hilft, all das zu sortieren, was sonst nur im Hintergrund rauscht.


Die Gedanken in diesem Beitrag entstehen aus einer Mischung aus psychoonkologischem Wissen und meiner Erfahrung aus vielen Jahren der Begleitung von Menschen mit schweren, lebensverkürzenden Erkrankungen und ihren Angehörigen.

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